TAUBERTAL-FESTIVAL 2018
Rothenburg ob der Tauber, 10.08.2018 bis 12.08.2018
Sonntag, 12.08.2018
Tag 3 und somit Finaltag des Festivals ist angebrochen. Uns erwartet ein bunt gemischter Künstlerreigen. Bands mit langen Namen, Gewinner und gute alte Bekannte stehen im Line-Up.
Starter auf der Hauptbühne ist eine Kombination die sich Käptn Peng & die Tentakel von Delphi nennt. So skuril der Name klingt, so surreal geht es auch auf der Bühne zu. Frontmann Robert Gwisdek – vor seinem Einstieg in die Musik Schauspieler in einigen deutschen Produktionen – und seine weiteren Mitstreiter Johannes Gwisdek (Schlagzeug & Gesang), Moritz Bossmann (Gitarre), Peter Bartz (Percussion) und Boris Nielsen am Kontrabass präsentieren sich als eine alternative Hip-Hop-Band. Noch während des ersten Songs merke ich: Käptn Peng und ich - das wird nix. Das Gesamtpaket ist für mich nicht wirklich greifbar. Muss es aber auch nicht. Die noch überschaubare Menge vor der Bühne feiert Käptn Peng und die Tentakel ebenso wie ihre Texte. Kleines Beispiel gefällig? ‚Hallo Freunde, Hallo Feinde, Hallo Individuum, Hallo Gemeinde, Hallo Wölfe und Hallo Schweine, Hallo Fink, Hallo Star, Hallo Meise, Hallo Bäume und Hallo Fluß, Hallo Hypophyse, Hallo Hypothalamus, Hallo Dunkelheit und Hallo Licht, Hallo du, Hallo er, Hallo ich, Hallo Luft, Hallo alle Dinge mit Streifen, Hallo alle Dinge die sich als andere Dinge verkleiden, Alle Dinge die fühl'n, alle die denken, alle die schreiben, Alle die wühl'n, lenken, schweben, leiden, und alle Dinge die schweigen,
Alle Dinge die schrei'n, und andere Dinge zerfleischen, Hallo alle die sich vor den andern Dingen verneigen, Hallo Dinge die gleiten und andere Dinge zerreißen, Andere Dinge dazu verleiten sich mit anderen Dingen zu streiten, Hallo alle Dinge die unfassbar übertrieben flauschig sind, Alle die bewiesen jedoch schier unglaublich sind, Hallo Moleküle und Hallo Quanten, Alles was es gibt ruf ich auf mit mir zu tanzen! (1. Strophe Der Anfang ist nah).
Mit dem nächsten Act ist für mich definitiv schon eine Steigerung im heutigen Programm zu verzeichnen. Die Gewinner des Emergenza-Wettbewerbes haben ihren großen Siegerauftritt auf der Hauptbühne. Benedetta Alessi (Gesang), Fabio Azzarelli (Keyboard) und Filippo Petruccioli (Gitarre) bilden das Trio Melancholia. Die 3 italienischen Musiker verschmelzen mehrere Musikstile miteinander, unter anderem Hip-Hop und D’n’B und ein Schuss Rock. Getragen wird das Ganze von der Bühnenperformance. Die Energie und Stimmgewaltigkeit von Frontfrau Benedetta Alessi (ihr kann man die gesungenen Gefühlslagen im Gesicht ablesen, so eindrucksvoll präsentiert sie sich) steht im Gegensatz zu dem geradezu statischen Verhalten ihrer beiden Mitstreiter. Man kann es schwer beschreiben, man muss es einfach einmal selbst live erlebt haben. Eines wird bei dem kurzen Auftritt aber sofort klar: Auf der Bühne stehen junge Musiker, die mehr als verdient gewonnen haben.
Nach dem stimmgewaltigen Auftritt von Melancholia wird es laut, laut und nochmal laut. Die US-Punkrocker von Hot Water Music betreten die Bühne und erobern mit ihrem Mitgröhl-Sound das größer gewordene Publikum. Die Musiker blicken mittlerweile auf über 25 Jahre im Musikbusiness zurück und wissen genau, wie man die Menschen vor der Bühne zum Mitsingen bewegt. Einen Wermutstropfen gibt es allerdings für eingefleischte HWM-Fans: Frontmann Chris Wollard fehlt auch bei diesem Konzert aus gesundheitlichen Gründen. Ersatzmann Chriss Cresswell vertritt ihn und macht seinen Job gut. Zusammen mit Chuck Ragan (Gesang & Gitarre), Jason Black am Bass und George Rebelo am Schlagzeug präsentieren die scheinbar nicht gealterten Herren einen schönen Querschnitt durch die Diskografie der Band in gewohnter Manier: Melodisch klingendes Gegröhle gepaart mit rauem Gesang. Gelungener Auftritt. An dieser Stelle gute Besserung an Chris Wollard!
Unserer Bilder von den US Punkrocker
So langsam neigt sich das Festival dem Ende. Zeit für den Auftritt des Co-Headliners: Broilers.
Wie ich es von Auftritten der Broilers beim TTF gewohnt bin, ist der Platz vor der Eiswiese mehr als gut besucht. Die Band ist und bleibt ein Publikumsmagnet. Der energiegeladene Auftritt der 4 sorgt für Kurzweile und jede Menge Mitsing-Momente. Eigentlich muss man nicht viel zu Broilers schreiben, man würde sich eh nur wiederholen. Super Bühnenperformance, gute Songauswahl querbeet durch die Bandgeschichte, tolle Interaktion mit den Fans –Ines Maybaum, Sammy Amara, Andreas Brügge und Christian Kubczak wissen, was sie den Fans schuldig sind und liefern es. Dabei kommt aber nicht das Gefühl von eingespielter Routine auf – die gelebte Publikumsnähe und der Spaß auf der Bühne sind authentisch. Und dann gibt es doch wieder diesen einen Moment, der für Gänsehaut sorgt. Sänger Sammy Amara wendet sich an das Publikum mit den Worten ‚…wir überlegen immer, ob wir diesen Song auf Festivals spielen können, da er traurig ist. Aber wir tun es einfach‘ und schon erklingen die ersten Töne von Ihr Da Oben. Die Eiswiese singt mit tiefster Seele mit und feiert die Band für diesen Moment am Ende mit lautem Applaus. Für die Band gibt es darauf nur eine Antwort: ‚Danke dass wir das hier spielen durften!‘
Broilers - möge der Abriss der Eiswiese Beginnen
Ja und dann ist es auch schon soweit: der letzte Gig steht an. Auftritt Marteria, der schnell klar macht: ‚Taubertal heute gibt es den totalen Abriss hier, seid ihr dabei?!‘ Das lässt sich die Menge nicht zweimal sagen und die Party geht los. Nach den obligatorischen ersten 3 Songs für die Fotografen packe auch ich meine Kamera ein und lasse mich mit den anderen Fans vor der Bühne mitreißen. Somit kann ich nur mit Worten von der starken Lightshow, dem Konfettiregen, dem Stagediving von Marteria und dem Gastauftritt von Casper berichten. Man möge mir verzeihen. Hier noch einmal im Einzelnen diverse Highlights des Konzertes: Eine spektakuläre Lightshow, die den Rothenburger Himmel im hellen Licht erstrahlen lässt und im Hintergrund eine Leinwand auf der Visualisierungen in Videospieloptik eingespielt werden sind die charakteristischen Merkmale des Bühnenbildes. Bei Bengalischer Tiger zündet der Künstler selbst einen Bengalo, im Publikum werden ebenfalls gleich zu Beginn des Songs 2 Bengalos gezündet. Ob dies so gewollt ist oder es wieder übermütige Fans gab, ist im ersten Moment nicht ganz klar und vielleicht der einzige Moment während des Konzertes, wo man kurz mal tief einatmet. Gleich anschließend thronen so viele Girls wie selten beim TTF auf den Schultern ihrer männlichen Begleitung: Zeit für Marteria Girl. Aber nicht nur vor der Bühne werden Damen gefeiert. Jede der drei Background-Ladies darf ihr Können bei einem eigenen Part unter Beweis stellen. Auf einmal wird es kurz dunkel auf der Bühne bis Marten Laciny wieder erscheint und seinen Special-Guest ankündigt: Casper. Gemeinsam geben die beiden einen Ausblick auf ihr am 31. August erscheinendes Kollaboalbum 1982. Unter anderem spielen sie Champion Sound und Adrenalin. Das Tal tobt! Sicherlich ein Highlight des letzten Konzertes bei Festival. Aber der Abend ist noch nicht zu Ende und Marteria feuert weiter ab. Beim Song Kids (2 Finger An den Kopf) ist selbst er geflasht vom Chor und quittiert dies mit einem ‚Ihr seid unfassbar‘. Fliegende T-Shirts, Feuer und die aller, aber wirklich aller, aller, allerletzten 20 Sekunden mit Konfettiregen bilden das große Finale des Abends.
Marteria reißt die Eiswiese ab
Fazit: Trotz einiger – für mich – Hänger im Line-Up des diesjährigen Taubertal-Festivals haben die Co-Headliner und Headliner aller 3 Tage das Ganze zu einem Fest werden lassen. Es gab diesmal keine sensationellen Überraschungen, aber das muss es ja auch nicht. Wichtig ist, dass das Taubertal wieder einmal gezeigt hat, warum es zu den besten Festivals in Deutschland gehört: Die Mischung an Musikstilen, bekannten und weniger bekannten Künstlern und gut gewählten großen Namen sorgen für drei Tage, die man einfach miterleben muss.
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Sonja Häfner